Terra Slow

Napoli, Campania, Italien
Ein echtes Wunder – im Gegensatz zum umstrittenen Wunder des heiligen Gennaro, des Stadtheiligen von Neapel – sind diese Tomaten im Glas wirklich. Mit den üblichen Pelati haben sie nichts gemein.

Das Tomatenwunder der echten San Marzano

Hinter dem Tomatenwunder steht ein passionierter Mann – Sabato Abagnale. Aufgewachsen im früheren Tomatendorf San Antonio Abate, in einem flachen Landstrich um Nocera-Sarno, fragte sich Sabato Abagnale schon als Kind, warum die ganze Pelati-Industrie in diesem Dorf und seiner Umgebung sass, jedoch weit und breit keine Tomaten mehr zu sehen waren.

Alte Leute erzählten davon, dass nur in bestimmten Böden am Fusse des Vesuvs und an den richtigen Stellen, wo der Wind vom Meer für die richtige Trockenheit und Durchlüftung sorgte, die Tomaten am besten wuchsen, keine Krankheiten hatten und am meisten Geschmack entwickelten. Unter den Familien, die alle vom Tomatenanbau lebten, entstand ein grosser Konkurrenzkampf um das beste Saatgut der San Marzano. Jede Familie hütete ihre eigenen Selektionen davon und benannte die Samen nach dem Familiennamen. So auch die Familie Abagnale.

Vor Jahrzehnten war das ganze Land um San Antonio mit Tomaten bepflanzt. Diese mussten aber der lukrativeren Blumenproduktion nach holländischem Muster weichen. Die Blumen wiederum wurden später von der wilden Bauspekulation in dieser Gegend verdrängt.

Eines Tages fielen dem jungen Sabato alte Notizen seines Grossvaters in die Hände. Aus denen erfuhr er nicht nur von den Familiensamen, sondern lernte auch alles über die beste Art des Pflanzens und über die Saatgutgewinnung: Die fünfte Reihe im Feld wurde immer für die Samenproduktion reserviert, da nur diese Reihe das gesunde Saatgut erzeugte. Und waren sie an der richtigen Lage und am richtigen Tag gepflanzt, so befielen auch keine Krankheiten die Stauden.

Sabato suchte die alten Samen der San Marzano und begann nach dem Vorbild seines Grossvaters mit der Pflanzung in kleinen, noch nicht überbauten Parzellen, und fand die Notizen vollumfänglich bestätigt. Zudem motivierte er ungefähr 30 weitere junge Männer, dasselbe zu tun.

Aus solchen Privatgärten auf den vulkanischen Böden des Vesuvs kommen nun die echten San Marzano, in der Erde gewachsen und unbewässert, mit ihrer feinen, delikaten Haut, derentwegen sie nicht transportfähig sind. Sie werden noch am gleichen Tag bei Sabato direkt im Glas eingelegt, mit Tomatenmark von denselben Tomaten aufgefüllt und sterilisiert.

Diese Tomaten haben einen ursprünglich-würzigen Geschmack, sind reichhaltig, haben viel Fruchtfleisch und sind von einem wunderschönen Rot (ohne die Orangenoten, die bei gekochten Tomaten erscheinen), so dass auch das Auge etwas davon hat.

Wegen ihrer zarten, feinen Schale würden sie das Schälen vorab nicht überstehen und so werden sie mit der Haut in die Gläser gegeben. Die dünnen, schmackhaften Häute können, wenn man unbedingt will, vor dem Kochen ganz einfach entfernt werden, sind aber nach dem Kochen so oder so kaum zu spüren, da sie zerfallen.

Wenn Sie diesen frischen, mediterranen und milden Geschmack erleben, wissen Sie wirklich, warum es ein Wunder ist!

Die echte San Marzano-Tomate

Es handelt sich hier um die echte San Marzano-Tomate, die in der Erde wächst, in der Sonne reift, reif von Hand geerntet und dann sorgfältig sortiert wird. Das klingt in Ihren Ohren vielleicht banal, ist heute jedoch nicht mehr selbstverständlich, wo jeder Supermarkt das ganze Jahr über geschmacklose, nichtssagende Tomaten anbietet, die nicht mal mehr in der Erde gewachsen sind.

Schlimm ist die Tatsache, dass die Pelati-Grossindustrie um Nocera-Sarno inzwischen im nahen Apulien pflanzen lässt, wo die Tomaten zwar ähnlich wie die San Marzano aussehen, sonst aber nichts mit der echten San Marzano gemeinsam haben, vor allem nicht ihren charakteristischen, angenehmen süss-sauren Geschmack, der sie auszeichnet.

Noch schlimmer: In den letzten Jahren wurden Billigstkonzentrate aus chinesischen Tomaten zu den italienischen Tomaten zugegeben, was billiger, giftiger (Pestizide und Spritzmittel konzentrieren sich auch) und herkunftsmässig sehr bedenklich ist, da auf den Büchsen trotzdem «Prodotto in Italia» stehen darf.

Bis 5% darf eben auch bei Tomaten ein ausländisches Gewürz oder Produkt beigegeben werden, und das Wasser, das dem dreissigfach konzentrierten chinesischen Tomatenmark zugegeben wird, stammt ja aus Italien. So kommt man mit 5% sehr weit, um die Herkunft zu verleugnen.

Sabatos Kinder

Sabato ist einer der Kompromisslosen, ohne die solche Produkte verschwinden würden. Wenn er von seinen Tomaten spricht und seine Felder zeigt, glaubt man, dass er jede einzelne Tomate wie ein eigenes Kind sieht.

San Antonio auch nur für kurze Zeit zu verlassen, ist für ihn deshalb schwierig, denn die «Kinder» brauchen seine ganze Aufmerksamkeit. Wenn er sie dann in kleinen Mengen in die ganze Welt schickt, vertreten sie die Familie Abagnale weltweit und er braucht nicht selbst zu gehen, denn in New York kennt man Sabato über seine «Kinder» persönlich.

Die Produktion dieses Superglases Tomaten funktioniert ebenfalls wie in einer grossen Familie, seine Frau Concetta, die Töchter Michela und Chiara, Mutter und Vater, Schwiegereltern, Onkel und Tanten sowie viele weitere Verwandte und Bekannte werden alle in das Tomatenwunder einbezogen. Und wenn Sabato nach der Produktion, die etwa eine Woche im Jahr dauert, sein Jahreswerk vollendet, wird das Ganze mit einem grossen Tomatenfest im Garten abgeschlossen.

Da kann man Sabato verzeihen, dass er vergisst, seine «Kinder» rechtzeitig in die Schweiz zu schicken, dass man jede Lieferung fast in Neapel selbst abholen und verpacken muss oder dass, wenn seine «Kinder» auf den Feldern rufen, alle Termine auch mal über den Haufen geworfen werden können.

Sabato hat seinen eigenen Weg gewählt – den des traditionellen Handwerks mit absolutem Respekt vor der Natur, mit dem Befolgen der Rhythmen der Pflanzen, ohne Kompromisse. Dieser Weg entzieht sich der modernen Rationalität, aber uns lässt er vielleicht etwas gesunder zurück.

Typische Produkte dieses Produzenten